Chinesischer Bäckereimitarbeiter macht 29 Stunden Schicht für 140 Dollar Bonus und zeigt die harte Realität des modernen Kapitalismus

Von
Sofia Delgado-Cheng
5 Minuten Lesezeit

Roher Kapitalismus in China: Bäckereimitarbeiter erhält 1000 CNY für 29 Stunden Arbeit

Der Vorfall, der eine Debatte auslöste

Am 19. Februar sorgte die chinesische Bäckereikette Holiland für Aufsehen, als sie zwei Mitarbeiter öffentlich dafür lobte, 29 Stunden am Stück gearbeitet zu haben. Die Mitarbeiter seien angeblich "freiwillig" über Nacht geblieben, um die Vorbereitungen für den Valentinstagsverkauf zu treffen. Als Anerkennung ihrer Leistung erhielt jeder von ihnen 1.000 CNY (etwa 140 US-Dollar). Das interne Schreiben, in dem ihr Engagement gelobt wurde und das auch eine Liste aller Mitarbeiter anforderte, die an diesem Tag über 20 Stunden arbeiteten, verbreitete sich schnell online und löste Empörung und Kritik aus.

Auf den ersten Blick scheint dies ein Beispiel für Wertschätzung von Unternehmensseite zu sein, bei dem harte Arbeit belohnt wird. Die Kritik ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Kritiker stellten in Frage, ob die Mitarbeiter wirklich freiwillig so lange gearbeitet haben oder ob sie aufgrund unzureichender Personalbesetzung und schlechten Managements unter Druck gesetzt wurden. Der Begriff "freiwillige Überstunden" ist in chinesischen Betrieben schon lange ein Euphemismus, der oft eine Kultur des impliziten Zwangs verbirgt.

Die Kundendienstmitarbeiter von Holiland gaben später an, keine Kenntnis von dem Schreiben zu haben, während der Filialleiter zugab, sich der übermäßigen Arbeitszeiten der Mitarbeiter nicht bewusst gewesen zu sein. Diese Reaktion warf weitere Fragen auf: Wenn weder die Unternehmensleitung noch das lokale Management die Situation anerkannten, wer genehmigte dann die Belobigung? Und was noch wichtiger ist: Warum gibt es ein Umfeld, in dem solche extremen Arbeitsbedingungen überhaupt entstehen können?

Das große Ganze: Chinas Arbeitskultur und Arbeitnehmerrechte

Der Fall Holiland ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom für ein größeres systemisches Problem. Überarbeitung ist tief in Chinas Arbeitsmarkt verwurzelt, insbesondere in privaten Unternehmen. Die berüchtigte "996"-Kultur – Arbeiten von 9 bis 21 Uhr, sechs Tage die Woche – hat sich in vielen Branchen etabliert, wobei einige Unternehmen sogar noch weiter in das "007"-Territorium vordringen (24/7 arbeiten). Obwohl Chinas Arbeitsgesetze einen achtstündigen Arbeitstag und eine Entschädigung für Überstunden vorschreiben, ist die Durchsetzung insbesondere bei Arbeitern gering.

Zu den Hauptproblemen, die durch diesen Fall aufgedeckt werden, gehören:

  • Gesetzmäßigkeit vs. Realität: Obwohl Arbeitsgesetze auf dem Papier existieren, werden sie in der Praxis oft ignoriert. Die Tatsache, dass Holilands Schreiben offen dazu aufforderte, Mitarbeiter zu erfassen, die mehr als 20 Stunden arbeiten, deutet darauf hin, dass übermäßige Überstunden institutionalisiert sind und keine Ausnahme darstellen.
  • Impliziter Druck: Viele Arbeitnehmer sind technisch gesehen nicht "gezwungen", extrem lange zu arbeiten, aber die Nichteinhaltung kann zu Strafen wie reduzierten Boni, weniger Schichten oder sogar Kündigung führen.
  • Mangel an Gewerkschaften und Rechtsmitteln: Im Gegensatz zu westlichen Märkten, in denen Gewerkschaften eine wichtige Rolle spielen, werden Chinas Gewerkschaften weitgehend vom Staat kontrolliert und sind unwirksam beim Schutz der Arbeitnehmerrechte. Arbeitnehmer haben wenig Möglichkeiten, Überlastungspraktiken anzufechten, ohne ihren Arbeitsplatz zu gefährden.

Der wirtschaftliche Kontext: Warum Unternehmen auf extreme Arbeitszeiten drängen

Die Holiland-Kontroverse ist nicht nur eine Frage der Arbeitnehmerrechte, sondern auch ein wirtschaftliches Signal. Chinas Geschäftsumfeld hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert.

  1. Sinkende Margen bei Konsumgütern

Die Bäckereibranche steht, wie viele kundenorientierte Unternehmen in China, unter dem zunehmenden Druck steigender Kosten und eines verlangsamten Wirtschaftswachstums. Die Gewinnmargen sinken aufgrund von Unterbrechungen der Lieferkette, erhöhten Regulierungskosten und sich ändernden Konsumgewohnheiten. Um die Effizienz aufrechtzuerhalten, greifen Unternehmen darauf zurück, mehr Produktivität aus den bestehenden Mitarbeitern herauszuholen, anstatt zusätzliches Personal einzustellen.

  1. Erholung der Wirtschaft nach der Pandemie

Viele chinesische Unternehmen erholen sich noch von dem durch die strengen COVID-19-Lockdowns verursachten wirtschaftlichen Abschwung. Anstatt in Automatisierung zu investieren oder die Belegschaft aufzustocken, dehnen Unternehmen oft bestehende Mitarbeiter aus, um frühere Verluste auszugleichen.

  1. Der Leistungsdruck in der Hochsaison

Der Valentinstag ist für Bäckereien eine wichtige Verkaufszeit, ähnlich wie Weihnachten für westliche Einzelhändler. Der Drang, die Gewinne innerhalb kurzer Zeit zu maximieren, veranlasst Unternehmen, von den Mitarbeitern extreme Arbeitsleistungen zu verlangen. Eine angemessene Personalplanung könnte jedoch ein solches Last-Minute-Chaos verhindern, was die Frage aufwirft, ob diese Situationen wirklich unvermeidlich sind oder das Ergebnis schlechten Managements.

Warum das für US-Investoren und Unternehmen wichtig ist

Der Holiland-Vorfall hat weitreichende Auswirkungen, die über China hinausgehen. In den USA gibt es eine wachsende Debatte über die Ausbeutung von Arbeitnehmern, den Missbrauch der Gig Economy und den Widerstand von Unternehmen gegen Gewerkschaften. Obwohl Chinas Arbeitsmodell nach westlichen Maßstäben extrem bleibt, zeichnen sich einige Parallelen ab:

  • Amazon und Tesla Lagerbedingungen: Berichte über erschöpfende Arbeitszeiten, minimale Pausen und algorithmusgesteuerte Produktivitätsziele sind in großen US-amerikanischen Unternehmen aufgetaucht. Auch wenn sie nicht so offensichtlich sind wie Chinas 996-Kultur, bleibt die zugrunde liegende Philosophie ähnlich: Maximierung der Leistung bei Minimierung der Arbeitskosten.
  • Erosion des Arbeitnehmerschutzes: Die Gegenwehr gegen die Gewerkschaftsbildung in großen Unternehmen wie Starbucks und Amazon spiegelt einen breiteren Trend wider, bei dem Unternehmen versuchen, die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer zu verringern.
  • Die Normalisierung der Gig-Arbeit: Mit Plattformen wie Uber und DoorDash, die ein flexibles, aber instabiles Arbeitsmodell fördern, arbeiten immer mehr Arbeitnehmer in einer Grauzone, in der der Arbeitnehmerschutz minimal ist, ähnlich wie in Chinas informellem Arbeitsmarkt.

Investoren sollten diese Entwicklungen zur Kenntnis nehmen. Die Gegenreaktion gegen Holiland zeigt, dass selbst in China, wo Arbeitnehmerrechte traditionell zweitrangig gegenüber dem Wirtschaftswachstum sind, eine wachsende Sensibilität für ausbeuterische Praktiken besteht. Eine Veränderung der Konsumentenstimmung gegen Arbeitsmissbrauch könnte Reputationsrisiken für Unternehmen darstellen, die auf extreme Arbeitskulturen angewiesen sind, sowohl in China als auch weltweit.

Die wichtigsten Erkenntnisse

  1. Holilands öffentliches Lob für extreme Überstunden ist ein Symptom für systemische Arbeitsausbeutung in China und spiegelt tief verwurzelte kulturelle und wirtschaftliche Zwänge wider.
  2. Chinas schwache Durchsetzung der Arbeitsgesetze und das Fehlen unabhängiger Gewerkschaften ermöglichen es Unternehmen, von ihren Mitarbeitern extreme Arbeitsleistungen zu verlangen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen hat.
  3. Ähnliche Muster zeichnen sich in den USA ab, insbesondere im E-Commerce und in der Gig Economy, wo die Effizienz des Unternehmens über das Wohlbefinden der Arbeitnehmer gestellt wird.
  4. Für Investoren nehmen die Reputationsrisiken im Zusammenhang mit Arbeitsausbeutung zu. Unternehmen, die es versäumen, Effizienz mit ethischen Arbeitspraktiken in Einklang zu bringen, könnten mit Gegenreaktionen der Verbraucher und behördlicher Kontrolle konfrontiert werden.

Da sich die globalen Volkswirtschaften weiterentwickeln, wird sich die Diskussion über Arbeitnehmerrechte und unternehmerische Verantwortung nur noch verstärken. Ob in Peking, New York oder im Silicon Valley, die Grenze zwischen Engagement und Ausbeutung wird mehr denn je hinterfragt.

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