
Europas rote Linie - Warum China seinen Wirtschaftskreislauf durchbrechen muss, bevor es ein echtes Abkommen gibt
Europas Rote Linie: Warum China seinen Wirtschaftskreislauf durchbrechen muss, bevor ein echter Deal zustande kommt
Der Preis der Partnerschaft: Chinas Wirtschaftsmodell steht vor der europäischen Abrechnung
Als der spanische Premierminister Pedro Sánchez am 10. April 2025 in Peking landete, war der Anlass offiziell ein Festakt – 20 Jahre strategische Partnerschaft zwischen China und Spanien. Doch unter den zeremoniellen Händedrücken und dem inszenierten Optimismus schwebte eine bittere Wahrheit über dem Gipfel: Europa ist nicht mehr bereit, der stille Partner in Chinas Wirtschaftskreislauf aus Ausbeutung, Überproduktion und Kapitalabfluss zu sein.
Sánchez' hochrangiger Besuch, sein dritter in ebenso vielen Jahren, ist bezeichnend für ein breiteres strategisches Dilemma, vor dem die Europäische Union steht. Während der diplomatische Austausch mit Peking in einer Welt, die von Zöllen und geopolitischen Rivalitäten fragmentiert ist, von entscheidender Bedeutung bleibt, reicht es nicht mehr aus, Dialog mit Fortschritt gleichzusetzen. Europäische Politiker wehren sich jetzt und ziehen eine klare Linie: Handel darf nicht unter Bedingungen fortgesetzt werden, die die Würde der Arbeitnehmer untergraben, die heimische Industrie zerstören und die langfristige wirtschaftliche Souveränität aushöhlen.
Chinas Kreislauf der Ausbeutung – und warum er ein Dealbreaker ist
Im Zentrum der sich verändernden Haltung der EU steht eine vernichtende Diagnose von Chinas aktuellem wirtschaftlichem Drehbuch. Beschrieben als „selbstverstärkende Maschine des Ungleichgewichts“, ist es ein Modell, das auf fünf miteinander verbundenen Phasen aufbaut:
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Ausbeutung der Arbeitskräfte: Chinas industrielle Macht beruht weiterhin auf einer Arbeitnehmerschaft, die grob unterbezahlt, ungeschützt und ihrer kollektiven Verhandlungsrechte beraubt ist. Arbeiter treiben die Fabriken des Landes an, erhalten aber nur einen Bruchteil des von ihnen geschaffenen Reichtums.
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Staatsgetriebene Überproduktion: Angetrieben von aggressiven Produktionszielen und massiven Staatssubventionen führt Chinas Überkapazität bei Elektrofahrzeugen, Stahl, Textilien und Solarmodulen zu überschüssigen Waren, die zu Preisen, die jeden Wettbewerb unterbieten, in westliche Märkte gelangen.
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Zusammenbruch der lokalen Industrie im Ausland: Diese künstlich billigen Exporte destabilisieren die heimischen Hersteller in ganz Europa, schließen Fabriken, vernichten Arbeitsplätze und vertiefen sozioökonomische Brüche in Regionen, die bereits durch die Globalisierung ausgehöhlt wurden.
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Vermögenskonzentration: Die Gewinne aus diesem Modell fließen fast ausschließlich an Chinas politische und wirtschaftliche Elite. Die breite Bevölkerung, insbesondere die Industriearbeiter, sieht wenig Verbesserung ihres Lebensstandards.
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Kapitalflucht nach Europa: Ironischerweise fließen die durch dieses System erzielten Gewinne oft zurück nach Europa – nicht als produktive Investition, sondern als spekulative Ströme in Luxusimmobilien und Finanzmärkte. Dies treibt die Wohnungspreise in die Höhe, insbesondere für junge und benachteiligte Europäer, und verzerrt die lokalen Wirtschaften.
„Es ist ein zirkuläres System, bei dem dasselbe Kapital, das unsere Industrien untergräbt, zurückkehrt, um unsere Städte aufzukaufen", bemerkte ein in Brüssel ansässiger Handelsanalyst. "Das Ungleichgewicht ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch und politisch."
Spaniens Besuch: Diplomatie oder Verleugnung?
Während Sánchez die Zusammenarbeit gegenüber der Konfrontation befürwortet und grüne Entwicklung, Landwirtschaft und Technologie als Bereiche von beiderseitigem Interesse hervorhebt, fällt sein Besuch in eine Zeit, in der die Geduld der EU zu Ende geht. Der Besuch wird auch von Washington genau beobachtet, wo Beamte warnen, dass engere Beziehungen zu Peking die europäische Einflussnahme in einer Welt schwächen könnten, die zunehmend von Großmachtkonkurrenz geprägt ist.
"Sánchez spielt ein heikles Spiel", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat, der anonym bleiben wollte. "Er will chinesische Investitionen anziehen, ohne das System zu billigen, das diese Investitionen ermöglicht. Aber solange es keine grundlegende Änderung in der Art und Weise gibt, wie China Arbeit, Handel und Kapital behandelt, wird die EU gezwungen sein, harte Grenzen für das Engagement zu ziehen."
In der Tat hat Europa deutlich gemacht: Engagement muss mit Vorbedingungen verbunden sein.
Europas Forderungen: Bedingungen für einen faireren Deal
Die EU formiert sich um eine festere, prinzipientreuere Haltung – eine, die von China konkrete Reformen im Austausch für den weiteren Zugang zu europäischen Märkten fordert. Zu den wichtigsten Erwartungen gehören:
1. Würde und Rechte der Arbeitnehmer
Die EU wünscht sich eine messbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einschließlich Lohnstandards, Arbeitnehmerschutz und die Einrichtung einer echten Gewerkschaftsmacht. Ohne dies riskieren europäische Importe die Aufrechterhaltung der Ausbeutung.
2. Handelstransparenz und Gleichheit
EU-Beamte drängen auf strengere Antidumpingbestimmungen und, wo möglich, auf Mindestpreise für Importe wie Elektrofahrzeuge. Diese würden gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Hersteller schaffen, ohne auf Protektionismus zurückzugreifen.
3. Begrenzung der Staatssubventionen und der Überproduktion
Europa drängt Peking, seine Industriesubventionen zurückzufahren und die Praxis der Produktion für den Überschuss zu beenden. Es wurde ein koordinierter Überwachungsmechanismus vorgeschlagen, um staatliche Beihilfen zu prüfen und Marktverzerrungen zu verhindern.
4. Kapitalverkehrskontrollmechanismen
Um den Zustrom von spekulativem chinesischen Kapital in europäische Vermögenswerte zu adressieren, erwägen einige Politiker gezielte Steuern auf Luxusimmobilienkäufe durch ausländische Unternehmen oder sogar umfassendere Kapitaltransparenzbestimmungen.
"China braucht Europa genauso, wie Europa China braucht", sagte ein hochrangiger Wirtschaftsberater in Berlin. "Aber wir müssen sicherstellen, dass diese Interdependenz unsere demokratischen Institutionen oder unsere wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit nicht untergräbt."
Hintergrund: Zölle, Geopolitik und der strategische Mittelweg
Sánchez' Besuch findet vor einem turbulenten globalen Hintergrund statt. Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat einen neuen Höhepunkt erreicht, wobei die Zölle auf beiden Seiten in die Höhe schießen – bis zu 145 % auf chinesische Waren, die in die USA eingeführt werden, und 84 % auf amerikanische Exporte nach China. Die EU ist bisher einen Drahtseilakt gegangen, hat Vergeltungszölle auf US-amerikanischen Stahl und Aluminium ausgesetzt und gleichzeitig ihre eigene China-Strategie neu kalibriert.
Inmitten dessen hat Sánchez Spanien als pragmatischen Gesprächspartner positioniert. Er hatte sich zuvor enthalten, EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu unterstützen, und hat öffentlich Pausen bei Zollerhöhungen als Chancen für sinnvolle Verhandlungen gelobt. Aber während er sich für einen "fairen und ausgewogenen" Handel einsetzt, sagen Kritiker, dass dies die Gefahr birgt, den härteren EU-Konsens in Brüssel zu untergraben.
Es gibt auch eine wachsende Divergenz innerhalb der EU selbst. Frankreich drängt auf aggressivere Zollmaßnahmen, während Deutschland und Spanien einen konstruktiven Dialog befürworten. Diese interne Uneinigkeit birgt die Gefahr, dass die Fähigkeit des Blocks, entschlossen auf strukturelle Herausforderungen im Handel zwischen der EU und China zu reagieren, verlangsamt wird.
Zeit für harte Entscheidungen
Während Sánchez seine Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und Premierminister Li Qiang fortsetzt, sind die Einsätze höher als symbolische Gesten oder gemeinsame Kommuniqués. Die zugrunde liegende Frage ist, ob China bereit ist, ein Modell zu ändern, das seinen Aufstieg beflügelt hat – aber auf Kosten der Würde der Arbeitnehmer, der globalen wirtschaftlichen Gerechtigkeit und der demokratischen Nachhaltigkeit im Ausland.
Für Europa ist die Entscheidung nicht weniger schwierig. Kann es es sich leisten, weiterhin von billigen Importen und ausländischem Kapital zu profitieren, in dem Wissen um die gesellschaftlichen Kosten, die sie mit sich bringen? Oder wird es einen Weg wählen, der seine Kernwerte aufrechterhält, selbst auf die Gefahr wirtschaftlicher Reibungsverluste?
Ein in Brüssel ansässiger Politikexperte brachte es unverblümt auf den Punkt: "Es gibt keine Win-Win-Situation, bis China sein Lose-Win-Modell beendet (und wir sprechen nur davon, dass die chinesischen Eliten gewinnen). Europas Zukunft hängt davon ab, das zu sagen und es auch so zu meinen."
Der Teufelskreis muss durchbrochen werden. Die Zeit für einen bedingten, mutigen Handel ist jetzt gekommen.