Schweizer Nationalbank erwägt Rückkehr zu Negativzinsen, da starker Franken Wirtschaft bedroht

Von
ALQ Capital
6 Minuten Lesezeit

Schweizerische Nationalbank steht unter wachsendem Druck, Negativzinsen wieder einzuführen

ZÜRICH – Der Schweizer Franken steigt immer weiter auf den globalen Märkten. Deshalb steht die Schweizerische Nationalbank (SNB) an einem wichtigen Punkt. Sie könnte wieder Negativzinsen einführen, obwohl sie diese erst vor drei Jahren abgeschafft hat.

Die SNB hat ihren Leitzins im März auf 0,25 % gesenkt – den niedrigsten Wert seit September 2022. Nun steht sie unter großem Druck, noch mehr zu tun. Die Wirtschaft steht vor großen Problemen: Die Inflation ist auf nur 0,3 % gefallen, der Franken ist allein im April um 9 % gegenüber dem Dollar gestiegen, und der globale Handel ist angespannt, was die Exporte gefährdet.

"Die Gefahr einer Deflation ist real", sagte ein wichtiger Wirtschaftsexperte einer Schweizer Großbank. "Wenn die Inflation so niedrig ist und der Franken so stark steigt, dann ist es nicht mehr die Frage, ob es Negativzinsen gibt, sondern wann."

Schweizer Franken (corporatefinanceinstitute.com)
Schweizer Franken (corporatefinanceinstitute.com)

Uneinigkeit zwischen Wall Street und europäischen Banken über die nächsten Schritte der SNB

Die Finanzwelt ist sich uneinig, ob die Schweiz zu den Negativzinsen zurückkehren wird, die sie von 2015 bis 2022 hatte. Goldman Sachs ist sehr sicher: Die SNB wird den Leitzins bis September in zwei Schritten um je 0,25 Prozentpunkte senken, auf -0,25 %.

"Wir sehen, dass die Geldpolitik angepasst wird, weil der Franken so stark ist", heißt es in einer Analyse von Goldman Sachs. "Die SNB hat schon einmal gezeigt, dass Negativzinsen den Franken schwächen können. Die aktuelle Lage deutet darauf hin, dass sie dieses Mittel wieder einsetzen wird."

Die Deutsche Bank warnt ihre Kunden ebenfalls, dass "die Wahrscheinlichkeit für Negativzinsen steigt". Sie hält eine Senkung um 0,5 Prozentpunkte bis Dezember für möglich, wenn noch mehr Kapital in den Franken fließt.

Europäische Banken sehen das etwas anders. Pictet Wealth Management geht davon aus, dass die SNB nach zwei weiteren Senkungen bei null Prozent stoppen wird. BNP Paribas Wealth Management sieht den Leitzins bei 0,25 % und hält Negativzinsen für unwahrscheinlich.

"Die Hürde für Negativzinsen ist hoch", so ein Stratege von BNP Paribas. "Man erinnert sich noch daran, wie die Negativzinsen den Immobilienmarkt und die Banken verzerrt haben. Die SNB wird erst andere Möglichkeiten ausprobieren."

Marktsignale deuten auf höhere Wahrscheinlichkeit für Negativzinsen hin

Die Finanzmärkte rechnen zunehmend mit noch niedrigeren Zinsen. Derivate auf kurzfristige Schweizer Zinsen deuten derzeit auf eine Wahrscheinlichkeit von etwa 50 % für eine Senkung um 0,5 Prozentpunkte hin, die den Leitzins bis September auf null Prozent bringen würde. Futures-Kontrakte deuten auf eine Wahrscheinlichkeit von 40 % hin, dass die SNB vor Jahresende wieder Negativzinsen einführen wird.

Diese veränderte Stimmung ist überraschend, da die meisten Experten noch vor wenigen Monaten davon ausgingen, dass die SNB die Zinsen bis 2025 bei oder über 0,5 % halten würde.

Die veränderten Erwartungen zeigen, dass die Anleger besorgt sind, weil der Franken steigt und die Inflation niedrig bleibt. Mit 0,3 % liegt die Inflation in der Schweiz nahe dem unteren Ende des Zielbereichs der SNB von 0-2 %. Die SNB selbst erwartet, dass die Inflation 2025 bei 0,4 % liegen und erst 2026 und 2027 auf 0,8 % steigen wird.

"Die Zahlen sprechen nicht dafür, die aktuelle Politik beizubehalten", sagte ein Analyst einer Zürcher Vermögensverwaltung. "Wenn die Inflation so niedrig ist und der Franken so stark steigt, dann sind die Zinsen eigentlich höher als sie scheinen."

Zölle: Wie globale Handelskonflikte die Schweizer Geldpolitik beeinflussen

Die SNB muss ihre Politik überdenken, weil es weltweit immer mehr Handelskonflikte gibt. Diese führen dazu, dass Anleger ihr Geld in sichere Häfen bringen, vor allem in den Schweizer Franken.

Die neuen Zölle der USA haben die Finanzmärkte erschüttert. Anleger suchen Schutz in sicheren Anlagen, was den Franken im April um 9 % gegenüber dem Dollar steigen ließ. Dies gefährdet die Exporte der Schweiz und die niedrige Inflation.

"Wir sehen ein typisches Verhalten in unsicheren Zeiten, das durch Veränderungen im Welthandel verstärkt wird", erklärte ein erfahrener Währungsexperte. "Der Franken war schon immer ein sicherer Hafen in Krisenzeiten, aber der aktuelle Anstieg kommt für die Inflation in der Schweiz zur Unzeit."

Für ein kleines Land wie die Schweiz haben Währungsschwankungen große Auswirkungen auf Wachstum und Preise. Die SNB hat in der Vergangenheit oft in den Devisenmarkt eingegriffen, um den Franken zu beeinflussen. Sie hat von 2015 bis 2022 Milliarden für Devisen ausgegeben, als sie zuletzt Negativzinsen hatte.

"Der starke Franken führt dazu, dass die Preise sinken", sagte ein Wirtschaftsexperte aus Genf. "Jeder Prozentpunkt, um den der Franken steigt, führt zu einer Straffung der Geldpolitik und senkt die Inflation. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, der nur durch drastische Maßnahmen durchbrochen werden kann."

Das Dilemma des Präsidenten: Nur wenig Spielraum

SNB-Präsident Martin Schlegel muss ein Gleichgewicht finden. Der Leitzins liegt bereits bei 0,25 %, sodass nur noch zwei Zinssenkungen von je 0,25 Prozentpunkten möglich sind, bevor die Null erreicht ist. Damit hat er kaum noch Möglichkeiten, falls sich die Wirtschaft weiter verschlechtert.

Schlegel hat gesagt, dass Negativzinsen "bei Bedarf" weiterhin möglich sind, aber auch betont, dass "niemand Negativzinsen mag". Dies zeigt, dass es Vor- und Nachteile hat, die Zinsen unter null zu senken.

"Die SNB will die Nullgrenze nicht wieder unterschreiten, hat aber möglicherweise keine andere Wahl, wenn sich die aktuellen Trends fortsetzen", sagte ein ehemaliger SNB-Mitarbeiter. "Sie hält sich alle Optionen offen und hofft, dass sich die Lage von außen verbessert, damit sie diesen Schritt nicht gehen muss."

Die SNB zögert auch, weil die Negativzinsen in der Vergangenheit unerwünschte Folgen hatten, wie z. B. Probleme auf dem Immobilienmarkt und geringere Gewinne für die Banken. Dennoch könnte die SNB gezwungen sein, diese Bedenken zu ignorieren, um ihr Hauptziel zu erreichen: stabile Preise.

Wirtschaftliche Aussichten trüben sich weiter ein

Die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft sind ebenfalls nicht gut. Das BIP wird 2025 voraussichtlich nur um 1-1,5 % wachsen, was auf höhere Löhne und die lockere Geldpolitik der SNB zurückzuführen ist. Allerdings wird das Wachstum durch eine schwache Weltwirtschaft und weniger Investitionen gefährdet.

"Die Schweizer Wirtschaft wandert auf einem schmalen Grat", sagte ein Wirtschaftsexperte einer Schweizer Universität. "Einerseits ist der Konsum im Inland stabil. Andererseits hat die Exportwirtschaft – die fast 70 % des BIP ausmacht – mit einem starken Franken und einer schwachen Weltwirtschaft zu kämpfen."

Diese Wachstumssorgen machen die Entscheidung für die SNB noch schwieriger. Sie muss nicht nur die Preise stabil halten, sondern auch darauf achten, wie sich niedrige Zinsen auf die Finanzstabilität und die Wirtschaft auswirken.

Abweichende Entwicklung: Gegen den Strom schwimmen

Die Geldpolitik der Schweiz unterscheidet sich stark von der anderer großer Länder. Die Europäische Zentralbank hat erst jetzt mit Zinssenkungen begonnen, und die US-Notenbank zögert weiterhin. Die Schweiz hingegen hat die Zinsen bereits gesenkt und muss möglicherweise noch weiter gehen.

Diese unterschiedliche Entwicklung macht die Lage für die SNB noch schwieriger. Wenn die Zinsen in der Schweiz niedriger sind als in anderen Ländern, könnte der Franken noch stärker steigen. Dies könnte die SNB zu noch drastischeren Maßnahmen zwingen.

"Die SNB schwimmt gegen den Strom", sagte ein Wirtschaftsexperte einer großen europäischen Bank. "Diese unterschiedliche Politik führt dazu, dass der Franken steigt. Es wird schwierig sein, dies zu verhindern, ohne wieder Negativzinsen einzuführen."

Wie geht es weiter? Wichtige Entscheidungen stehen bevor

Die Finanzmärkte werden die SNB-Sitzung im Juni genau beobachten. Die meisten Experten gehen zwar nicht davon aus, dass die SNB wieder Negativzinsen einführen wird, aber die Stimmen, die davor warnen, werden immer lauter.

Die UBS geht davon aus, dass es im September eine letzte Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte geben wird. Goldman Sachs hingegen erwartet, dass der Leitzins bis dahin auf -0,25 % sinken wird.

Angesichts dieser Unsicherheit bereiten sich Schweizer Exporteure und Banken auf eine mögliche Rückkehr zu Negativzinsen vor, mit denen sie bereits von 2015 bis 2022 zu kämpfen hatten.

"Wir kennen das schon", sagte der Finanzchef eines Schweizer Produktionsunternehmens. "Der Unterschied ist, dass die Weltwirtschaft jetzt viel schwächer ist und die SNB weniger Spielraum hat."

Für SNB-Präsident Schlegel und seine Kollegen werden die nächsten Monate zeigen, ob sie bereit sind, erneut außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Schweizer Wirtschaft zu schützen. Marktanalysten halten es für etwa ein Drittel wahrscheinlich, dass der Leitzins bis September auf -0,25 % sinken wird. Die Rückkehr der Negativzinsen in einem der stabilsten Länder Europas ist also durchaus möglich. Dies hätte Auswirkungen über die Schweiz hinaus und würde zeigen, wie schwierig die Lage der Weltwirtschaft ist.

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