Schweizer Pensionshoheit am Scheideweg: Anwalt kämpft gegen US-Verwahrungswechsel in einem hochkarätigen Rechtsstreit

Schweizer Pensionshoheit am Scheideweg: Anwalt kämpft gegen US-Verwahrungswechsel in einem hochkarätigen Rechtsstreit

Von
Startup Schoggi
7 Minuten Lesezeit

Die langjährige Reputation der Schweiz für sichere und unabhängige Finanzverwaltung steht vor einer grossen Herausforderung: Der wichtigste Schweizer Pensionsfonds, die AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung), wird umstritten an einen neuen Verwalter übergeben. Um Kosten zu sparen und die Effizienz zu steigern, hat Compenswiss – zuständig für die Verwaltung der Schweizer Pensionsgelder – kürzlich beschlossen, die Verwahrung der AHV-Gelder von der Schweizer UBS an die Münchener Niederlassung von State Street zu verlagern. Befürworter sehen dies als Teil eines globalen Trends hin zu grossen Vermögensverwaltern, die mehr Effizienz und technologiebasierte Lösungen bieten. Kritiker hingegen argumentieren, dass die Auslagerung der finanziellen Souveränität an einen US-amerikanischen Verwalter die Schweizer Unabhängigkeit gefährdet. Anwalt Albert Rüetschi hat sich gegen den Beschluss gewandt und fordert die Bundesbehörden auf, einzugreifen und sicherzustellen, dass Schweizer Pensionskassen unter nationaler Kontrolle bleiben. Diese Debatte verdeutlicht den Konflikt zwischen nationaler Souveränität, kostengünstigen globalen Dienstleistungen und dem sich verändernden Kräfteverhältnis im internationalen Vermögensmanagement.

Schweizer Anwalt kämpft für die Souveränität des Pensionsfonds gegen die Verlagerung an die US-amerikanische State Street

Verlagerung der Verwahrung

Compenswiss, die Institution, die die wichtigen Schweizer Pensionskassen verwaltet, hat eine Verlagerung der Verwahrung des AHV-Fonds eingeleitet. Nach einer zweijährigen Ausschreibung entschied sie im Dezember, das Verwahrungsmandat für die AHV-Gelder von der UBS, die es über 25 Jahre innehatte, an die in München ansässige Tochtergesellschaft von State Street zu übertragen. Dieser Übergang, der bis Ende 2024 abgeschlossen sein soll, wird in erster Linie durch erwartete Kosteneinsparungen und die Beibehaltung der langjährigen Praxis angetrieben, die Vermögenswerte jedes Landes innerhalb der jeweiligen Gerichtsbarkeit zu halten.

Widerstand

An vorderster Front des Widerstands steht der Aargauer Anwalt Albert Rüetschi, der die „Interessengemeinschaft Aufsichtsbeschwerde Compenswiss“ gegründet hat, um die Entscheidung von Compenswiss anzufechten. Rüetschies Kernforderungen sind:

  • Rückführung der Pensionsfondsvermögen an Schweizer Verwaltungen und Verwahrstellen
  • Intervention des Bundesrates bis Ende Januar 2025
  • Nutzung kantonaler Banken als globale Verwahrstellen anstelle internationaler Firmen
  • Entlassung des Compenswiss-Verwaltungsrats, falls diese Änderungen nicht umgesetzt werden

Rüetschi argumentiert, dass die Verlagerung der Verwahrung an eine US-amerikanische Einrichtung die finanzielle Souveränität der Schweiz gefährdet und ihre Tradition einer sicheren, neutralen Finanzverwaltung untergräbt.

Begründung von Compenswiss

Compenswiss verteidigt den Schritt mit dem Hinweis auf mögliche erhebliche Kostensenkungen und betont die Kontinuität mit bestehenden globalen Vermögensverwaltungspraktiken. Seit über zwei Jahrzehnten werden US-Vermögen bereits sicher in den USA verwahrt. In diesem Rahmen bleiben Schweizer Vermögenswerte in der Schweiz, japanische Vermögenswerte in Japan usw. Compenswiss stellt fest, dass das Risiko einer Einfrierung der Schweizer Pensionsgelder durch US-Behörden äusserst gering ist und dass globale Verwahrstellen aus aufsichtsrechtlicher und Risikoperspektive nicht gefährlicher sind als Kantonalbanken.

Historischer Kontext

Die UBS, ein Schwergewicht im Schweizer Bankwesen, verwaltete über ein Vierteljahrhundert lang die Verwahrung für Schweizer Pensionskassen. Die Entscheidung für den Wechsel zu State Street im Dezember 2023 löste eine öffentliche Debatte darüber aus, ob die Anvertrauung nationaler Pensionsgelder an ausländische Verwahrstellen die finanzielle Unabhängigkeit der Schweiz gefährdet. Die Frage geht an das Herzstück eines Kampfes zwischen der Priorisierung von Effizienz und dem Schutz des nationalen Erbes einer souveränen, stabilen Vermögensverwaltung.

Ursachen

1. Verlagerung hin zu Kosteneffizienz und spezialisierten Dienstleistungen

Die Argumentation von Compenswiss spiegelt einen globalen Branchentrend wider: Grosse Pensionskassen bevorzugen zunehmend internationale Verwahrstellen wie State Street aufgrund ihrer niedrigeren Gebühren, ihrer Spitzentechnologie und ihrer Fähigkeit, komplexe, multinationale Portfolios zu verwalten. Dieses Streben nach Kosteneinsparungen und fortschrittlichen Fähigkeiten ist kennzeichnend für einen umfassenderen Wandel im Vermögensmanagement hin zu spezialisierten, effizienzorientierten Lösungen.

2. Rückgang des traditionellen Schweizer Vermögensmanagements

Der Schweizer Vermögensverwaltungssektor, einst ein globales Leuchtfeuer finanzieller Expertise, steht heute vor einem harten Wettbewerb durch internationale Giganten. Diese globalen Akteure bieten skalierbare, innovative Dienstleistungen und können lokale Institute sowohl in Bezug auf operative Effizienz als auch auf Kosteneffektivität übertreffen, wodurch die Dominanz der Schweizer Firmen allmählich erodiert wird.

3. Erosion der Schweizer Dominanz im Finanzwesen

Das finanzielle Image der Schweiz basierte auf renommierten Institutionen wie der UBS und der Credit Suisse. Reputationskrisen – insbesondere bei der Credit Suisse – haben jedoch das Vertrauen in die Schweizer Finanzhoheit geschwächt. Kritiker sehen die Verlagerung der AHV-Verwahrung als Teil einer umfassenderen Erosion des Fussfasses der Schweiz als sicherer, unabhängiger Finanzplatz.

4. Aufsichtsrechtliche und geopolitische Erwägungen

Durch die Platzierung von Vermögenswerten in ihren jeweiligen geografischen Regionen versucht Compenswiss, geopolitische Risiken zu mindern. Dennoch besteht die Befürchtung, dass ausländische Behörden theoretisch Schweizer Pensionskassen ins Visier nehmen könnten. Die Spannung zeigt, wie vernetzte globale Märkte und grenzüberschreitende Vorschriften den Begriff der rein nationalen Kontrolle erschweren.

5. Wandel der Modelle für die Verwaltung von Pensionskassen

Globale Diversifizierung ist ein wichtiger Bestandteil des modernen Pensionsmanagements. Bei Vermögenswerten in mehreren Gerichtsbarkeiten wird die Zusammenarbeit mit einer einzigen inländischen Verwahrstelle schwierig. Die Betonung spezialisierter Risikomanagement-Tools, ESG-Kriterien und nahtloser Berichtssysteme führt oft zu Allianzen mit internationalen Verwahrstellen, die komplexe globale Portfolios verwalten können.

6. Übergreifende Branchentrends

Technologische Fortschritte und Automatisierung verändern die Verwahrung und das Vermögensmanagement und ermöglichen es internationalen Verwahrstellen, überlegene, datengesteuerte Lösungen anzubieten. Die Entstehung passiver Anlagestrategien und kostenorientierter Ansätze treibt Pensionsfonds weiter in Richtung grosser, globaler Akteure, die in der Lage sind, die Performance zu optimieren und gleichzeitig die Gebühren zu minimieren.

Prognosen

1. Strategische Auswirkungen des Souveränitätsverlusts

Erosion der finanziellen Identität der Schweiz

Jahrzehntelang stützte sich die Identität der Schweiz auf Neutralität, Stabilität und finanzielle Unabhängigkeit. Die Übertragung der AHV-Verwahrung an einen ausländischen Verwalter könnte das Bild der Schweizer Eigenständigkeit und Glaubwürdigkeit als sicherer Kapitalhafen untergraben.

Rechtliche und nationalistische Herausforderungen

Rüetschies Rechtsstreit verkörpert den ideologischen Widerstand gegen die Globalisierung. Sollte die Bewegung an Fahrt gewinnen, könnte es in der Schweiz zu politischen oder legislativen Interventionen kommen, die darauf abzielen, die nationale Kontrolle über Pensionsgelder zu sichern.

2. Auswirkungen auf die Schweizer Vermögensverwaltungsbranche

Schweizer Akteure verlieren an Boden

Globale Verwahrstellen haben Schweizer Banken in Bezug auf Kosteneffizienz, Technologie und Raffinesse überholt. Ohne umfassende Modernisierungsbemühungen riskieren Schweizer Verwahrstellen, weitere Geschäfte an ausländische Wettbewerber zu verlieren.

Technologischer Rückstand

Internationale Verwahrstellen wie State Street haben stark in fortschrittliche Plattformen und Datenanalysen investiert. Schweizer Institute, die eher konservativer Natur sind, könnten hinterherhinken und für grosse, global diversifizierte Pensionskassen weniger attraktiv werden.

Potenzieller Kapitalabfluss

Der AHV-Transfer könnte anderen institutionellen Anlegern signalisieren, dass Schweizer Finanzdienstleistungen nicht unbedingt die beste Option für Kosteneffizienz oder fortschrittliche Fähigkeiten sind. Diese Wahrnehmung könnte den Kapitalabfluss beschleunigen und die Herausforderungen für die heimische Industrie verschärfen.

3. Übergreifende Branchentrends und der Kontext der Globalisierung

Aufstieg kosteneffizienter, globaler Anbieter

Eine Handvoll multinationaler Verwahrstellen dominiert die Landschaft und profitiert von Skaleneffekten und Innovationen. Pensionsfondsmanager, die unter dem Druck stehen, Gebühren zu senken und die Renditen zu steigern, werden von solchen Anbietern angezogen, was das Wettbewerbsumfeld auf Kosten lokaler Akteure verändert.

Geopolitische und aufsichtsrechtliche Druckfaktoren

Obwohl Compenswiss die Befürchtungen vor dem Einfrieren von Vermögenswerten zurückweist, können globale politische Spannungen grenzüberschreitende Finanzvereinbarungen beeinflussen. Die Harmonisierung der Regulierung könnte grossen, internationalen Verwahrstellen zugute kommen, aber gleichzeitig die Befürchtungen über ausländische Kontrolle verstärken.

4. Auswirkungen auf wichtige Stakeholder

Rentenzahler

Einerseits könnten die Begünstigten von niedrigeren Kosten und einer potenziell besseren Fondsperformance profitieren. Andererseits könnten sie befürchten, dass ausländische Verwahrungsvereinbarungen geopolitische Schwachstellen mit sich bringen könnten.

Schweizer Finanzinstitute

Kantonalbanken und traditionelle Schweizer Verwahrstellen stehen vor einer existenziellen Herausforderung. Um relevant zu bleiben, müssen sie sich schnell anpassen – in Technologie investieren, ihre Aktivitäten skalieren und innovative Partnerschaften suchen.

Globale Verwahrstellen

State Street und ähnliche globale Akteure festigen ihre Positionen durch die Sicherung lukrativer Mandate. Sie müssen jedoch auch Reputationsrisiken managen und potenziellen Gegenreaktionen aus protektionistischen Strömungen begegnen.

Schweizer Regierung und Aufsichtsbehörden

Die Schweizer Entscheidungsträger stehen vor einem schwierigen Balanceakt. Eingriffe zur Wahrung der nationalen Kontrolle könnten die Kosten erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit einschränken, während die uneingeschränkte Zulassung der Globalisierung die nationale finanzielle Souveränität untergraben könnte.

5. Mutmassungen und fundierte Spekulationen

Digitale Schweizer Franken als Lösung?

Eine mögliche Antwort könnte die Einführung fortschrittlicher Technologien wie blockchainbasierter Verwahrlösungen sein, die an einen digitalen Schweizer Franken gebunden sind. Dies könnte technologische Effizienz mit nationaler Kontrolle vereinen und die Souveränität wahren, ohne Innovationen zu opfern.

Potenzielles politisches Nachspiel

Sollte ein weiteres Schweizer Finanzinstitut scheitern, könnte der öffentliche Druck zunehmen, die Verwahrung im Inland zu belassen. Protektionistische Massnahmen könnten entstehen und die Finanzarchitektur des Landes neu gestalten.

Globale Verwahrstellen sehen sich neuen Steuern oder Beschränkungen gegenüber

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, könnte die Schweiz spezielle Steuern oder regulatorische Hürden für ausländische Verwahrstellen erheben, die inländische Vermögenswerte verwalten. Obwohl umstritten, könnten solche Massnahmen die lokale Modernisierung fördern.

Wiederbelebung der Schweizer Industrie

Inländische Akteure müssen möglicherweise konsolidieren und zusammenarbeiten, um wettbewerbsfähige Plattformen und Dienstleistungen zu schaffen, die mit globalen Verwahrstellen konkurrieren können.

Widerstandsfähigkeit durch Diversifizierung

Die Diversifizierung nicht nur der Anlagen, sondern auch der Verwahrungsvereinbarungen kann dazu beitragen, Risiken zu managen. Die Suche nach einer Balance zwischen globaler Effizienz und nationaler Integrität ist entscheidend.

Aufstieg des Neonationalismus im Finanzwesen

Sollten mehrere Nationen gegen ausländische Verwahrstellen vorgehen, könnte sich ein Trend zur finanziellen Eigenständigkeit entwickeln, der die Dynamik der Globalisierung umkehrt. Dies könnte zwar die Souveränität wahren, aber auch die Kosten erhöhen und die globale Effizienz verringern.

Im Wesentlichen stellt die sich entwickelnde Situation um die Verlagerung der Verwahrung des Schweizer AHV-Fonds eine grundlegende Frage: Kann sich die Schweiz, bekannt für ihre finanzielle Unabhängigkeit und Expertise, schnell genug anpassen, um ihr Erbe inmitten einer sich schnell globalisierenden, technologiegetriebenen und kostenbewussten Vermögensverwaltungsbranche zu bewahren?

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